Vielen Dank Frau Dr.med. Lenzen-Schulte für den hervorragenden Artikel im DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Ausgabe 8/2020 vom 21.Februar 2020,  www.aerzteblatt.de

Wenn es schon keine wissenschaftlich anerkannte Studie über die Wirksamkeit der Homöopathie gibt, dann wenigstens über die “ nix drin“ Pillen.

Offensichtlich bewirken diese doch etwas!

Spätestens jetzt kann man nichts mehr gegen die Homöopathie haben.

Viele, viele Fragen ………………???????????

CHRONISCHER RÜCKENSCHMERZ

Placebogabe offen ansprechen

Zur Placebotheorie gehört die Vermutung, es handele sich um eine Suggestivwirkung. Allerdings zeigt sich selbst in Studien, in denen die Gabe des Scheinpräparates freimütig eingeräumt wird, der bekannte Placeboeffekt. Wie und wie gut dies funktioniert, darüber wird jedoch noch diskutiert.

Es muss nicht immer ein echtes Medikament sein: Eine jüngste Studie bestätigt erneut die Wirksamkeit von Placebos bei chronischen Rückenschmerzen. In einer Studie der Essener Universitätsklinik vermochten Scheinpräparate ebenso gut wie nicht- steroidale Antiphlogistika (NSAR) Schmerzen zu lindern. Außerdem gaben die Patienten an, sich fitter zu fühlen. Schließlich waren sie auch weniger depressiv (1). Vor allem aber lässt die Studie Rückschlüsse auf den Placeboeffekt als solchen zu: Um eine heilsame Wirkung zu erzielen, ist es nicht einmal nötig, den Patienten zu verschweigen, dass ihr Präparat keine Verumsubstanz enthält. In der aktuellen Studie wussten die Teilnehmer darüber Bescheid, dass sie ein Scheinpräparat erhielten.

Ende der Placebo-Heimlichkeit

Dieses Konzept der sogenannten „open-label-Placebo“-Studien ist nicht ganz neu. Es wird unter anderem eingesetzt, um den Suggestiveffekt einer Placebotherapie auszuschließen, aber auch, um Fehler bei der Verblindung zu vermeiden. Nicht zuletzt gab es immer wieder ethische Bedenken, wenn den Patienten im Rahmen einer Placebobehandlung diese verschwiegen werden musste. Dass es auch funktioniert, wenn alle mit offenen Karten spielen, konnten bereits andere Studien bei chronischen Rückenschmerzen zeigen (2).

Chronischer Rückenschmerz ist deshalb eine für Placebostudien bevorzugte Erkrankung, weil zum einen bekannt ist, dass diese Patienten auf Placebogaben effektiv ansprechen. Zum anderen ist es ein häufiges Phänomen und man könnte mit Placebogaben vielen Betroffenen die unerwünschten Wirkungen von „echten“ Schmerzmitteln ersparen. Außerdem verursachen chronische Rückenschmerzen vor allen anderen Schmerzerkrankungen die größten volkswirtschaftlichen Kosten.

Insgesamt nahmen 127 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (mindestens 12 Wochen) am Essener Rückenschmerz-Zentrum der Universitätsklinik für Neurologie an der aktuellen Studie teil. In einer ersten Phase wurden alle gleichbehandelt und erhielten die übliche Therapie.

Eine Gruppe (n = 67) erhielt zusätzlich 21 Tage lang 2-mal täglich ein Placebo, die anderen (n = 60) nicht. Vor Beginn der Studie hatten sämtliche Teilnehmer ein Video gesehen, in dem sogenannte Placeboeffekte erklärt worden waren. Außerdem enthielt es Informationen über jüngste Ergebnisse, wie günstig sich eine offene Placebogabe auswirken kann.

Die Studienteilnehmer wurden nicht nur darüber aufgeklärt, dass sie eine wirkstofffreie Substanz erhielten. Denjenigen, die zunächst in die Vergleichsgruppe kamen, wurde überdies zugesichert, dass sie nach Ablauf der Studie ebenfalls eine Placeboanwendung erhalten können, sodass sie keine Benachteiligung fürchten mussten.

Die Merkmale Alter, Geschlecht und Schmerzintensität zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses wiesen keine signifikanten Unterschiede auf. Lediglich der Body-MassIndex war bei jenen höher, die zusätzlich mit Placebo behandelt worden waren (BMI: 28,18 vs. 25,72). Zu den Outcome-Parametern zählten die subjektiven Behandlungserfahrungen (Schmerzlinderung, funktionelle Beeinträchtigung im Alltag), aber auch objektive Kriterien wie Bewegungsumfang und -geschwindigkeit, die mit Sensoren auf der Wirbelsäule gemessen wurden. Primärer Endpunkt war die Schmerzintensität, sekundäre Endpunkte die schmerzbedingte Einschränkung, Depression, Angst und Stress, die mittels standardisierter Fragebögen erhoben wurden.

Die Schmerzintensität nahm bei der zusätzlich mit Placebo behandelte Gruppe signifikant stärker ab (p = 0,001). Diese Patienten fühlten sich außerdem funktionell weniger eingeschränkt und weniger depres- siv (p = 0,02 bzw. p = 0,01). Sie haben zudem seltener weitere Schmerz- mittel für den Notfall nachgefragt, dies war allerdings nur als Trend erkennbar. Hinsichtlich objektiver Parameter unterschieden sich die Gruppen jedoch nicht.

Derzeit können Placeboforscher noch nicht plausibel erklären, wie wirkstofffreie Substanzen das subjektive Befinden signifikant verbessern, wenn den beteiligten Probanden dies offen kommuniziert worden war (3). Denkbar wäre, dass die Patienten aufgrund der Vorabinformationen unbewusst ebenso positive Erwartungen im Hinblick auf das Placebo entwickelt haben, wie es sonst mit der Aussicht auf ein Verumpräparat geschieht.

Dr. med. Martina Lenzen-Schulte

Literatur: www.aerzteblatt.de