In der aktuellem Ausgabe der Zeitschrift   „wir.Heilpraktiker“

(April 2018 / II. Quartal / Freie Heilpraktiker e.V) ist folgender Artikel von Dr. B. Voß, Schulleiter Villa Salutis, erschienen:

 

 

Heilpraktiker – Never ending Story

Wenn der Kulturhistoriker Egon Friedell (1878 bis 1938) sagt, „Dass die Dinge geschehen, ist nichts: Das sie gewusst werden, ist alles“, so wird gerade unsere Epoche mit ihren Fake News diesem Diktum nicht gerecht. Im Gegenteil, die Lust an der Skandalisierung, wo es um Emotionalität und nicht um Wahrheit geht, scheint der Spiritus Rector gewisser Journalisten zu sein. Und so manch ärztlicher Kollege möchte so richtig schön gründlich, faustisch und im Rausch der Radikalität nichts lieber, als einen ganzen Berufsstand verbieten. Doch Fake und Faktum gehen auch hier getrennte Wege.

Wie hieß es in Panorama-online am 31.12.2015? „Heilpraktiker im Rausch, Sex in der Erlebnisgrotte“. Fakt war, dass ein Diplompsychologe und Psychotherapeut auf der Anklagebank saß, kein Heilpraktiker. Es handelte sich auch nicht um ein Treffen von Heilpraktikern, sondern querbeet waren unterschiedlichste Berufsgruppen vertreten, vom Arzt bis zum Friseur.

Im August 2016 titelte Zeit-online: „Wenn Heilpraktiker aus Versehen töten“. Fakt ist, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Krefeld zwischenzeitlich eingestellt wurden, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Behandlung des Heilpraktikers und den Todesfällen nicht hergestellt werden konnte.

Aber selbst wenn die reißerischen Schlagzeilen die Realität eins zu eins wiedergespiegelt hätten: Schwarze Schafe gibt es in jeder Berufsgruppe und niemand würde bspw. auf die Idee kommen, den Beruf des Psychotherapeuten abzuschaffen, weil einige männliche Therapeuten den intimen Versuchungen gegenüber Patientinnen nicht widerstehen können.

Auch gibt es keine valide Untersuchung, die klar bestätigt, dass die Behandlung durch einen Heilpraktiker für den Patienten wesentlich riskanter ist, als die durch einen Arzt.

Dass der Anteil an Esoterik und spirituell hoch aufgeladenen Individuen bei Heilpraktikern deutlich größer ist als bei Unfallchirurgen und Radiologen, wird wahrscheinlich so sein. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Heilpraktiker sich im Durchschnitt wesentlich mehr Zeit für den Patienten nehmen, als es in der ökonomisierten Medizin überhaupt noch möglich ist. Hier liegen unbequeme Fragen in der Luft. Ist der Heilpraktiker in einem ganz spezifischen Sinn ein Mängelmediziner, also jemand, der auf die Mängel der etablierten Medizin hinweist? Eine etablierte Medizin, wo aus der wahren Naturwissenschaft die Ware Gesundheit geworden ist?

Überhitzte Debatten haben wir schon genug, hier besteht kein Erweiterungsbedarf. Und es ist sinnvoller, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, statt weiteres Öl ins Feuer zu gießen.